FORT: Sweet Sickness

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Installation View, Courtesy Sies + Höke, Düsseldorf, Photographer Achim Kukulies, Düsseldorf

Romantic Readymades – FORT:
Sweet Sickness, Galerie Sies + Höke

Wie sich beim Zap­pen durch Fern­seh­prog­ram­me, dem Durch­ge­hen von Ra­dio­sen­dern o­der ei­nem Blick auf Buch­hand­lungs­re­ga­le kon­sta­tie­ren lässt, ge­ben Lie­bes­ge­schich­ten ein wie eh und je gän­gi­ges The­ma in­ner­halb un­ter­hal­tungs­kul­tu­rel­ler Gen­res ab, wo­hin­ge­gen sich die Hoch­kunst im Zu­ge der jüng­sten E­po­chen zu ei­ner e­her li­bi­do­frei­en Zo­ne ent­wickelt hat. Dar­stel­lun­gen von Put­ten und Schmet­ter­lin­gen um­spiel­ter, mehr oder we­ni­ger be­klei­de­ter Paa­re, die bis zum An­bruch der Mo­der­ne zum fes­ten Re­per­toire der pro­fa­nen und my­tho­lo­gi­schen I­ko­no­gra­phie ge­hör­ten, lau­fen heu­te Ge­fahr, den Ein­wand der Tri­via­li­tät o­der der Ob­szö­ni­tät zu er­re­gen. Da­bei las­sen sich, wie im Mo­tiv ei­nes Schach­spiels, wel­ches im Spät­mit­tel­al­ter als un­miss­ver­ständ­li­ches Sinn­bild der a­mou­rö­sen An­bän­de­lei ver­stan­den wur­de, durch­aus auch kunst­his­to­ri­sche Vor­bil­der für weit we­ni­ger ver­fäng­li­che Dar­stel­lungs­wei­sen fin­den.1

Ariel’s Drea­ming, 2018, Ce­ment, Sty­ro­dur, Wood, Var­nish, Bubble Ma­chine and Sound, 44 x 93,5 x 52,5 cm, In­stal­lation View, Cour­te­sy Sies + Höke, Düs­sel­dorf, Pho­to­gra­pher Achim Ku­ku­lies, Düs­sel­dorf

Die Fra­ge, in­wie­weit sich der­lei Her­zens­an­ge­le­gen­hei­ten an­hand spe­zi­fi­scher All­tags­ar­te­fak­te ver­an­schau­li­chen las­sen, scheint auch den Aus­gangs­punkt für die Ar­beit an ei­nem ak­tu­el­len Werk­zyk­lus der Küns­tle­rin­nen­grup­pe FORT er­ge­ben zu ha­ben, wel­chen es der­zeit in der Ga­le­rie Sies + Hö­ke zu se­hen gibt. Dort zeigt das 2008 von An­na Jandt, Al­ber­ta Nie­mann und Jen­ny Kropp ge­grün­de­te und 2014 durch Jandts Ab­gang auf ein Duo re­du­zier­te Kol­lek­tiv sei­ne nun­mehr zwei­te Ein­zel­aus­stel­lung, in der di­ver­se Fa­cet­ten des Ver- und des Ent­lie­bens durch­ge­spielt wer­den.

Liaison, 2018, Found Ob­jects, each Ob­ject 22,5 x 21,8 x 8,5 cm, In­stal­la­tion View, Cour­te­sy Sies + Hö­ke, Düs­sel­dorf, Pho­to­gra­pher A­chim Ku­ku­lies, Düs­sel­dorf

Dass Mo­men­te der Schwär­me­rei und der Er­nüch­te­rung in­ner­halb da­hin­ge­hen­der Ge­fühls­wech­sel­bä­der sehr un­mit­tel­bar auf­ei­nan­der fol­gen kön­nen, of­fen­bart sich gleich im er­sten Raum, wo ei­ne an der Wand hän­gen­de Mu­schel klei­ne, we­nig spä­ter zer­plat­zen­de Sei­fen­bla­sen auf­stei­gen lässt. Der an Hans Chris­tian An­der­sens Mär­chen der klei­nen Meer­jung­frau an­ge­lehn­te Ti­tel Ariel’s Drea­ming führt da­bei die gan­ze Tra­gik ei­ner nicht er­wi­der­ten Lie­be vor Au­gen. Ei­ne ver­gleichs­wei­se un­ge­trüb­te Zwei­sam­keit zeich­net sich da­ge­gen in ei­ner Rei­he paar­wei­se an­ge­ord­ne­ter Te­le­fo­ne ab, de­ren Re­tro-An­mu­tung Be­trach­te­rin­nen und Be­trach­ter mitt­le­ren Al­ters wo­mög­lich an die Zeit ih­rer ei­ge­nen Ju­gend er­in­nert. Da­bei fin­den sich die Hö­rer­ka­bel auf viel­fäl­ti­ge Wei­se mit­ei­nan­der ver­bun­den, was an un­ter­schied­li­che Spiel­ar­ten der part­ner­schaft­li­chen Kom­mu­ni­ka­tion und der ihr vo­raus­ge­hen­den Kon­takt­auf­nah­me den­ken lässt.

Installation View, Courtesy Sies + Höke, Düsseldorf, Photographer Achim Kukulies, Düsseldorf

Dass in der Lie­be bis­wei­len auch Zocker­ei­gen­schaf­ten wie Ri­si­ko­be­reit­schaft, psy­cho­lo­gi­sche Raf­fi­nes­se und stra­te­gi­sches Kal­kül ge­fragt sind, ist ein As­pekt, der in ver­grö­ßer­ten, mit hand­schrift­li­chen Bot­schaf­ten ver­se­he­nen Spiel­kar­ten deut­lich wird, wo­bei For­mu­lie­run­gen wie „Ne­ver En­ding Please“ o­der „This is the End“ er­ken­nen las­sen, dass man hier al­les ge­win­nen oder ver­lie­ren kann. Ähn­lich dra­ma­tisch prä­sen­tiert sich ei­ne Ar­beit, die ein be­son­ders dras­ti­sches En­de ei­ner Be­zie­hung il­lus­triert. Der ti­tel­ge­ben­de Be­griff „Gho­sting“ be­zeich­net ei­nen ein­sei­ti­gen, un­an­ge­kün­dig­ten Kon­takt­ab­bruch, wel­cher sich in Zei­ten von Da­ting-Apps und On­line-Part­ner­bör­sen zu ei­nem ge­läu­fi­gen Phä­no­men ent­wickelt hat und der hier in ei­ner zu­ge­mau­er­ten Ein­gangs­tür sei­ne sym­bo­li­sche Ent­spre­chung fin­det.

Ghosting, 2018, Replica of a Front Door (Mixed Media), 249,5 x 180 x 94,4, Installation View, Courtesy Sies + Höke, Düsseldorf, Photographer Achim Kukulies, Düsseldorf

Ei­ne durch­ge­hen­de Qua­li­tät in­ner­halb des hier ge­zeig­ten Prog­ramms liegt da­rin, dass je­des Ex­po­nat ei­ne la­ko­ni­sche klei­ne Poin­te be­in­hal­tet, de­ren Schlüs­sig­keit sich ne­ben kon­zep­tu­el­len auch for­mal­sti­lis­ti­schen Fak­to­ren ver­dankt. Al­ber­ta Nie­mann und Jen­ny Kropp le­gen bei der Aus­wahl der von ih­nen ver­wen­de­ten Ge­gen­stän­de den Blick ver­sier­ter Re­qui­si­teu­rin­nen an den Tag, was die em­ble­ma­ti­sche Wir­kung ih­rer Wer­ke be­för­dert. So er­schei­nen die mit ein­fa­chen Ges­ten ar­ran­gier­ten Ob­jek­te ent­ge­gen her­kömm­li­cher Ready-Made-Va­ri­an­ten we­ni­ger un­ter dem Ge­sichts­punkt ei­ner zweck­ent­bun­de­nen Äs­the­tik als un­ter je­nem ei­nes er­zäh­le­ri­schen Mo­ments, wel­ches sich wie ein ro­ter Fa­den durch die ge­sam­te Aus­stel­lung zieht. Wer sich zwi­schen Weih­nachts­ein­kauf und Glüh­wein auf kul­ti­vier­te Art und Wei­se auf das Fest der Lie­be ein­stim­men und sich da­bei noch da­von ü­ber­zeu­gen möch­te, dass Kon­zept­kunst auch ganz un­ter­halt­sam sein kann, dem sei ein Schlen­ker in die Post­stra­ße da­her wärm­stens ans Herz ge­legt!

FORT
Sweet Sickness

16. November 2018 – 12. Januar 2019

Galerie Sies + Höke
Poststr. 2 + 3
40213 Düsseldorf

Öffnungszeiten:

Montag – Freitag 10 – 18:30 Uhr
Samstag 12 h – 14:30 Uhr
Geschlossen am 22. und 27. Dezember 2018

Lernen Sie mit uns die Düsseldorfer Galerienszene kennen! Artesarticulo ist ein Verbund langjährig erfahrener Kunstvermittler/innen, die sich die Erkundung der aktuellen Ausstellungen im Zuge individueller Rundgänge zur Aufgabe macht. Diese werden in Kooperation mit der Düsseldorf Tourismus GmbH auch in Form öffentlicher Führungen angeboten.

Fußnoten

  1. Vgl. Glanz, An­na Kat­ha­ri­na: De ar­te ho­nes­te a­man­di : Stu­dien zur I­ko­no­gra­phie der hö­fi­schen Lie­be, Je­na 2004, S. 377 ff.

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