Marsha Cottrell

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Marsha Cottrell, Aperture Series (38) 2016, Lasertoner auf Papier, 29,5x46cm, Courtesy Petra Rinck Galerie

Komaglotzen ohne Strom – Marsha
Cottrell, Petra Rinck Galerie

Mitte der 80er Jahre haben mein Va­ter und ich mit vielen Küns­tlern in einer alten Fa­brik in der Acker­straße ge­haust. Im rum­peli­gen Ge­mein­schafts­raum stand ein gro­ßer alter Schwarz­weiß­fern­seher, der nur sel­ten lief. Nach­dem man ihn ein­ge­schal­tet hat­te muss­te man zu­nächst ein Paar Mi­nuten war­ten, be­vor die Röh­re so­weit war, ein Bild zu er­zeu­gen. Wenn man ihn wie­der aus­schal­tete, war wie­derum minu­ten­lang ein heller hori­zonta­ler Strei­fen zu sehen, der sich all­mäh­lich zu einem Punkt in der Mitte zusam­men­zog und ir­gend­wann ver­schwand. Mein Vater sagte da­mals, dass es un­ter Um­stän­den ge­sund­heits­schäd­lich sei, dieses Ge­rät zu be­nut­zen.

Direkt um die Ecke der einsti­gen Riesen-WG exis­tiert seit mitt­lerwei­le neun Jahren die Petra Rinck Gale­rie, wo der­zeit eine Aus­stel­lung mit Wer­ken von Mar­sha Cot­trell statt­findet. Während die Bil­der unseres TV-Appa­rats durch soge­nannte Katho­den­strahlen produ­ziert wurden, ent­ste­hen die der US-ame­rika­nischen Küns­tlerin durch ein modi­fizier­tes Laser­druck­ver­fahren. Die hier gezeig­ten Papier­arbei­ten können daher beden­ken­los ange­schaut werden. Wei­tere signi­fikante Unter­schiede zwi­schen Bild und Bild­schirm machen sich an den Tat­sachen fest, dass Letz­terer die Dinge nicht still­ste­hend, sondern in Bewe­gung zeigt und durch eine aus dem Inne­ren kom­mende Hellig­keit einen beson­deren visu­ellen Reiz er­zeugt. Diese grund­sätz­lichen Dif­feren­zie­rungen müssen in genau diesem Fall jedoch in Frage ge­stellt werden.

Marsha Cottrell, Environment 1, 2017, Lasertoner auf Papier, 27,94×21,59 cm, Courtesy Petra Rinck Galerie

Der Grund dafür besteht zu­nächst darin, dass die 1964 in Phi­ladel­phia gebo­rene und seit 1990 an der Uni­ver­sity of North Caro­lina unter­rich­tende Male­rin und Zeich­nerin die hier verwen­dete Techno­logie in einer über­aus unkon­ventio­nellen Weise ein­setzt. An­statt ein entsprech­endes digi­tales Doku­ment wie üblich im Zuge eines Druck­vor­gangs zu Pa­pier zu brin­gen, wird das vek­torgra­fisch gene­rierte Motiv in immer wieder leicht ver­änder­ter Weise auf den­selben Bild­träger appli­ziert, wodurch sich zwischen den einan­der über­deckenden Toner­auf­trägen feinste Dif­feren­zen erge­ben.

Wie sich an­hand einer mit Environ­ments über­titel­ten Werk­serie zeigt, ent­steht dabei ein Effekt, der in irri­tieren­der Weise eine Gleich­zei­tig­keit von Statik und Fluktu­ation suggeriert. So scheinen die aus Eisen­oxid­staub entstan­denen Quader unauf­hörlich in die Tiefe des Bild­raums zu sinken. Noch deut­licher manifes­tiert sich die Illu­sion zeit­licher Konti­nuität in einer Reihe stili­sierter Darstel­lungen astro­nomi­scher Motive. Hier er­schei­nen an Himmels­körper erin­nernde Kreis­formen als Mittel­punkte radi­aler Strahlen­kränze, deren Fili­grani­tät so­wohl die Gren­zen des visu­ell Erfass­baren wie des tech­nisch Repro­duzier­baren über­steigt. In den extre­men Verdich­tungen der Linien­muster zeigen sich opti­sche Inter­ferenzen, die die Anmu­tung einer flir­renden Korona erzeu­gen.

Marsha Cottrell, Untitled (6:11:26pm), Lasertoner auf Papier, 21,59×27,94cm, Courtesy Petra Rinck Galerie

Alle Bilder weisen eine lumi­nöse Quali­tät auf, die aus einem Zusam­men­spiel schar­fer Hell-Dunkel-Kontras­te und der Gedämpft­heit der Weiß­töne resul­tiert. Der hier­durch er­zeug­te Ein­druck eines spär­lich an die Ober­fläche dring­enden Lichts macht ein wei­teres sub­tiles Moment aus, wel­ches zu einem aus­führ­lichen Gucken ver­leitet. Diese ästhe­tischen und wahr­nehmungs­psycho­lo­gi­schen Kunst­griffe lassen sich schwer­lich anhand foto­gra­fischer Repro­duk­tionen nach­voll­ziehen. Also run­ter vom Sofa und auf nach Flin­gern! Vier­eckige Augen kann man auch von der Kunst kriegen.

Marsha Cottrell

8. September bis 4. November 2017

Petra Rinck Galerie
Birkenstraße 45
40233 Düsseldorf

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Freitag 13-18 Uhr
Samstag 11-16 Uhr

Lernen Sie mit uns die Düsseldorfer Galerienszene kennen! Artesarticulo ist ein Verbund langjährig erfahrener Kunstvermittler/innen, die sich die Erkundung der aktuellen Ausstellungen im Zuge individueller Rundgänge zur Aufgabe macht. Diese werden in Kooperation mit der Düsseldorf Tourismus GmbH auch in Form öffentlicher Führungen angeboten.

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